Saxophon Üben

Ein je nachdem beglückender oder ärgerlicher Aspekt beim Spielen eines Instrumentes ist die Notwendigkeit des Übens. Der beglückende Aspekt besteht darin, dass man immer die Möglichkeit einer sinnvollen Beschäftigung hat. Der Musiker sollte das Üben betrachten wie der Gärtner die Arbeit in seinem Garten: es mögen ungünstige Klima- oder Bodenverhältnisse vorliegen, irgendetwas wächst immer, und das kann man in seinem Sinne beeinflussen. Und  nicht zuletzt ist das Üben ein Bereich, in dem man ungeheuer kreativ sein kann.

Eine wichtige Voraussetzung, um beim Üben zu befriedigenden Ergebnissen zu kommen, ist es, sich beim Üben über die Ziele und Probleme klarzuwerden. Anfänger etwa können oft nicht unterscheiden, ob sie etwas a) nicht lesen können, b) der musikalische Sinn unklar ist oder c) eine Stelle motorisch schwierig ist, etwa weil ein Registerwechsel nötig ist (die Oktavklappe gedrückt oder losgelassen werden muss), oder d) der musikalische Ausdruck befremdet, z.B. weil sie das Stück als gesungene Popnummer kennen.

Dafür ein sehr simples Beispiel:

Der Schüler spielt seit kurzen und möchte "Oh When The Saints" spielen. Das Stück fängt mit folgenden Tönen an: G-H-C(ohne)-D (mit Oktavklappe). Wenn er das Stück nicht kennt, kann es sein, dass er sich den Auftakt nicht vorstellt, d.h. für ihn liegt die Betonung nicht auf "Saints", auf das die ersten drei Töne hinführen; oder er spielt die ersten vier Töne und denkt: Das ist ja ein Walzer!-: eins zwei drei Saints!... zwei Beispiele dafür, wie ein einfaches Stück rätselhaft wird, weil die musikalische Vorstellung nicht klar ist.

Auf der motorischen Ebene haben wir drei sehr unterschiedlich schwierige Bewegungen: G-H (zwei Finger miteinander bewegen), H-C (zwei Finger gegeneinander), und C-D - fünf Finger schließen, mit dem Daumen Oktavklappe drücken, und außerdem: linken Mittelfinger liegenlassen! Das mag banal erscheinen, es ist aber nützlich, bei schwierigen Stellen sich solche Dinge klar zu machen.

Nun mag es sein, dass das D2 "nicht klappt": es erklingt garnicht, klingt nicht gut, oder anstelle des gewünschten erklingt ein hoher, schiefer Ton: das ist in dem Fall ein unsauber geblasener zweiter Oberton (A2) statt des ersten (D2), und das heißt vermutlich, dass der linke Ringfinger zu langsam war - ein motorisches Problem. Oder der Ansatz ist viel zu fest - vielleicht um die fehlende Stütze zu kompensieren, und hier sind Atmungs- und Tonübungen nötig.

(...)

Nehmen wir ein anderes Beispiel: der fortgeschrittene und ehrgeizige Schüler möchte "Moose the Mooche" von Charlie Parker lernen. Er ist mit dem Parker-Sound einigermaßen vertraut, aber dieses Stück kennt er nicht. Zunächst wird es klar sein, dass er das Stück erheblich langsamer als vorgegeben wird üben müssen, und er wird sich einige Phrasen einzeln rhythmisch klarmachen müssen.

Das Stück beginnt mit einem Oktavsprung zum hohen D. Natürlich kann der Schüler diesen Ton spielen, und auch das Greifen macht keine Probleme, aber das hohe D ist nur eine Achtel auf der 2und; die Tonerzeugung bereitet Schwierigkeiten.

Der nächste Takt beschert uns einen Amoll 7-Akkord als Triolenfigur abwärts und einen Septimensprung aufwärts danach. Schwierigkeiten könnten sein: die Triolen sind nicht gleichmäßig, der letzte Ton typischerweise länger - ist das eine rhythmische Unklarheit, oder wird die Bewegung zu hektisch ausgeführt, um rechtzeitig wieder oben auf dem G zu landen, weil der Septimensprung unsauber ist?

(wird fortgesetzt)

 

 

Vielleicht noch ein kleiner Hinweis: Gute Musiker haben in aller Regel sehr, sehr viel geübt (Pablo Casals, der berühmte Cellist, ist in seinen 80ern gefragt worden, warum in Gottes Namen er denn noch täglich übe; seine Antwort war, er habe den Eindruck, Fortschritte zu machen); und ergo lösen sich viele Probleme auch genau dadurch... Wer also erst ein paar Dutzend Stunden Saxophon spielt, sollte sich nicht grämen, wenn das tiefe D / das hohe G noch nicht sicher anspricht (oder die Chris-Potter-Transkription noch nicht ohne Probleme spielbar ist).

Und noch ein Hinweis zum Üben: das Wichtigste sind dabei Aufmerksamkeit und Kontinuität. Wenn man sich dem GLEICHEN Problem JEDEN Tag 5 Minuten zuwendet, werden sich schnell Fortschritte einstellen. Jeden zweiten Sonntag 3 Stunden lang Flageolets knechten bringt nichts.

 

Und noch ein nicht unwichtiger Hinweis: das Üben ist die Beschäftigung mit Dingen, die wir NICHT (oder nicht so gut) können. Entscheidend ist es, dafür die nötige Gelassenheit und sogar Demut mitzubringen.